Was Fortschritt in der Supervision wirklich bedeutet – Vom Mut, Umwege zu würdigen
Es war eine dieser typischen Situationen: Man nimmt sich etwas vor, es klingt in der Theorie ganz einfach, und dann beginnt man damit – und merkt, dass es doch alles andere als leicht ist. So erging es mir, als ich begann, mich intensiver mit Make zu beschäftigen. Der Gedanke war klar: Prozesse strukturieren, Abläufe automatisieren, ein bisschen Ordnung in die vielen losen Enden bringen. Doch schon nach kurzer Zeit wurde deutlich: Der Weg durch diese Anwendung war verschlungener, komplexer und manchmal frustrierender, als ich es erwartet hatte.
Immer wieder musste ich Schritte zurückgehen, manches mehrfach probieren, vieles verwerfen. Und obwohl ich wusste, dass Lernen nicht linear verläuft, fiel es mir schwer, das als Fortschritt zu sehen. Erst im Nachhinein wurde mir klar: Der Fortschritt lag nicht im schnellen Ergebnis, sondern im Prozess selbst. In den Momenten, in denen ich nicht aufgegeben habe. In der Erkenntnis, dass auch das Ringen Teil des Weges ist.

Fortschritt in der Supervision ist mehr als „weiterkommen“
Wir sind es gewohnt, Fortschritt als lineare Bewegung zu verstehen: Ziel setzen, Schritte planen, Ergebnisse erreichen. Doch das ist nur ein Ausschnitt dessen, was Entwicklung wirklich bedeutet. Gerade in lerntherapeutischen oder supervisorischen Kontexten zeigt sich immer wieder: Entwicklung verläuft in Wellen. Mal gibt es sichtbare Schritte nach vorn, dann wieder Phasen des Stillstands oder sogar der Rückschritte.
Was wir oft übersehen: Diese Rückschritte sind nicht selten notwendig. Sie dienen der Integration, der Neuorientierung, der Stabilisierung. Und sie können ein Zeichen dafür sein, dass ein Thema in die Tiefe geht. Dass etwas wirklich berührt wird. Fortschritt bedeutet in diesem Sinne nicht nur „mehr“ oder „schneller“, sondern auch: tiefer, bewusster, stimmiger.
Umwege sind Wege
In meiner Arbeit mit Klient*innen erlebe ich es immer wieder: Sie kommen mit der Vorstellung, eine bestimmte Herausforderung möglichst schnell zu lösen. Doch was entsteht, ist oft ein Prozess voller Abzweigungen, Nebenwege und Haltepunkte. Es braucht Mut, diese Umwege zu würdigen. Sie nicht als Zeitverlust zu sehen, sondern als wertvolle Bestandteile des Lernens.
Ein Satz, der mich in diesem Zusammenhang begleitet, lautet: „Fortschritt erkennt man oft erst, wenn man innehält und zurückblickt.“
Supervision: Fortschritt sichtbar machen
Auch in der Supervision zeigt sich dieser Gedanke. Fortschritt ist nicht immer offensichtlich. Manchmal besteht er darin, dass ein Team beginnt, ein bisher tabuisiertes Thema anzusprechen. Oder darin, dass jemand zum ersten Mal äußert, was ihn wirklich beschäftigt. Diese Bewegungen sind leise, aber bedeutsam.
Umso wichtiger ist es, kleine Fortschritte bewusst sichtbar zu machen:
- Am Ende einer Sitzung eine kurze Rückschau: „Was war heute anders als sonst?“
- Kleine Rituale, z. B. eine „Erkenntnisrunde“ oder ein Symbol für jeden Schritt
- Dokumentation von Prozessen: ein Journal, eine Fortschrittstafel, ein gemeinsames Protokoll
- Das bewusste Spiegeln: „Mir ist aufgefallen, dass Sie heute einen neuen Gedanken formuliert haben.“
Diese Formen der Sichtbarmachung helfen nicht nur den Klient*innen, sondern auch uns als Begleitende, den Prozess wertzuschätzen.

Lass dich auf deine eigenen Umwege ein
Vielleicht magst du dir heute einen Moment Zeit nehmen und zurückschauen: Wo hast du in letzter Zeit Fortschritte gemacht, die du gar nicht als solche erkannt hast? Welche Umwege haben dir etwas gezeigt, das du sonst nie entdeckt hättest?
Und wenn du magst: Überlege dir einen Satz, der dich durch deinen Alltag begleiten kann – als kleine Erinnerung, dass nicht alles gradlinig sein muss. Vielleicht magst du ihn dir notieren, sichtbar platzieren oder mit anderen teilen.
Reflexionsfragen zum Abschluss
- An welcher Stelle deines aktuellen Projekts erkennst du heute einen kleinen Fortschritt, der bisher unbemerkt blieb?
- Welche Umwege hast du bislang als „verlorene Zeit“ abgetan, die sich rückblickend als wichtig erwiesen haben?
- Was kannst du in deiner nächsten Supervisions- oder Beratungssitzung bewusst tun, um kleine Fortschritte sichtbar zu machen?
- Wie kannst du deine Haltung ändern, sodass du das Nichtwissen nicht als Schwäche, sondern als produktiven Raum begreifst?
- Welche kleinen Rituale könntest du in deinen Alltag integrieren, um dir selbst die Bedeutung von Zwischenstationen bewusster zu machen?
Wenn du magst, kannst du deine Gedanken oder Ideen gerne mit uns teilen!
Wenn dich dieses Thema interessiert, begleiten wir dich gern in Supervision oder Coaching, um genau diese leisen Fortschritte gemeinsam zu entdecken und zu festigen. Schreib uns einfach. Denn manchmal liegt der größte Fortschritt darin, innezuhalten und wahrzunehmen, was schon da ist.